Freienbibel 2 https://freienbibel.de Wissen für freie Journalist*innen Fri, 21 Aug 2020 06:38:20 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.3.4 https://freienbibel.de/wp-content/uploads/2020/03/cropped-herzf-32x32.png Freienbibel 2 https://freienbibel.de 32 32 BASICS – Geschäftsmodell entwickeln: Was sind eure Stärken? https://freienbibel.de/geschaftsmodell/ https://freienbibel.de/geschaftsmodell/#respond Fri, 21 Aug 2020 06:38:18 +0000 http://freienbibel.de/?p=2448 Teaser für junge Hüpfer: So entwickelt ihr ein journalistisches Geschäftsmodell. Teaser für alte Hasen: So könnt ihr euer Geschäftsmodell überprüfen.

Von Jan Schwenkenbecher

Es gibt ja diese Anekdote über Vincent van Gogh, dass er, Vincent van Gogh, der vielleicht berühmteste Maler aller Zeiten, zu Lebzeiten nur ein einziges Gemälde verkauft habe und das noch dazu an seinen eigenen Bruder. (Längst widerlegt, kann man hier und da lesen, im Privaten habe er schon öfter mal ein Bild verkauft. Wie auch immer.) Ob es nun eines oder ein paar mehr waren: sein Geschäftsmodell hätte wohl besser sein können.

Eures zumindest sollte es sein, so schön eure Sonnenblumen-Reportagen auch sein mögen. Wer noch keines hat, sollte sich eines überlegen. Und wer schon eins hat, der kann es mit diesen Tipps auf seine Güte überprüfen. Es finden sich viele verschiedene Ratgeber dazu, wie man ein Geschäftsmodell entwickelt und was dabei wichtig ist. Dies hier ist der Versuch einer Synthese aus all den verschiedenen Geschäftsmodellmodellen, die sich im Besonderen für freie Journalist*innen eignet. Ein Modell, das ist das verkleinerte, etwas vereinfachte Abbild von etwas (ursprünglich von Häusern, kommt das Wort doch aus der Architektur). Ein Geschäftsmodell ist also, und das kommt ja in etwa auch hin, ein vereinfachtes Abbild eures Geschäfts: was bietet ihr an, wer kauft es, warum, für wie viel Geld, sowas.

Im Wesentlichen haben alle Geschäftsmodell-Beschreibungen folgende drei Überthemen gemeinsam:

  • Die Kunden
  • Das Produkt
  • Das Ertragsmodell

Euer Geschäftsmodell soll nun skizzieren, wie ihr euer Produkt an welche Kunden verkauft und wie ihr damit Geld verdient. Also schnappt euch drei Blätter, notiert auf jedes eines der drei Überthemen und schreibt anschließend eure Antworten auf die im Folgenden aufgeworfenen Fragen darauf.

Die Kunden

Die Kunden, das können im journalistischen Geschäftsmodell zwei Dinge sein: Leser*innen oder Auftraggeber*innen. Verkauft ihr euer Produkt an Auftraggeber*innen, dann müsst ihr ökonomisch betrachtet vor allem sie zufriedenstellen. Und erst in zweiter Linie die Leser*innen. Stets pünktliche, fehlerfreie Lieferung ist da wahrscheinlich wichtiger als der schönste erste Satz. Eure Funktion ist ähnlich der eines Automobilzulieferers, der sein kleines Teil zum Fahrzeug liefert. Arbeitet ihr auf direkteren Wegen – veröffentlicht ihr zum Beispiel selbst auf einem Blog oder via Riffreporter/Steady/Patreon/etc., dann buhlt ihr direkt um die Gunst der Kund*innen (Auftraggeber*innen gibt es da nicht).

In jedem Fall solltet ihr euch bewusst machen, wer eure Kund*innen sind. Wer liest, hört, guckt, was ihr schreibt, sprecht, filmt? Wisst ihr das, solltet ihr euch ebenfalls klarmachen, was eure Kund*innen wollen. Warum konsumieren Leser*innen eure Inhalte? Was interessiert sie daran? Welches Problem löst ihr, welches Bedürfnis befriedigt ihr? Am Ende müsst ihr wissen: Es gibt diese und jene Leute (die Kund*innen) und sie haben ein Bedürfnis nach PLATZHALTER (hier könnte euer Produkt stehen).

Kernfragen:

  • Wer sind eure Kund*innen?
  • Warum kaufen eure Kund*innen, was ihr produziert?
  • Was würde euer Produkt so verbessern, dass sie es noch lieber kaufen?

Das Produkt

Der Kern eures Freiendaseins: Was verkauft ihr? Texte, Bilder, Videos oder Audio? Über Politik, Wirtschaft, Sport, Wissenschaft oder Reisethemen? Als Reportagen, Features, Interviews oder Hintergrundstücke? Was könnt ihr, was liegt euch, und – vielleicht am wichtigsten – was interessiert euch? Ihr solltet euch darüber im Klaren sein, was es ist, was ihr produziert und verkauft. Und warum es genau das ist – im besten Fall seid ihr (studierte) Expert*innen auf eurem Gebiet oder habt eine intrinsische Motivation, die aus eurer Biografie erwächst (ihr wart auf dem Sprung zur Profifußballer*in, also schreibt ihr jetzt über Sport).

Glaubt ihr zu wissen, welches EUER Produkt ist, dann müsst ihr euch auch überlegen, wie die Kund*innen von eurem Produkt erfahren. Sind eure Kund*innen die Leser*innen, dann müsst ihr direkt für euch und eure Stücke werben. Ihr wisst ja nun, wer eure Kund*innen sind und habt bestimmt auch eine Vermutung, wo sie sich so rumtreiben: Teilt eure Inhalte an den richtigen Social- Media-Plätzen oder legt Flyer beim Bäcker aus. Sind nicht die Leser*innen, sondern Redaktionen eure Kund*innen, müsst ihr euch auch hier überlegen, wie ihr sie am erfolgreichsten erreicht. Je nach Kundin oder Kunde lernt ihr dann schon, ob ihr euren Pitch besser am Telefon oder per Mail präsentiert und ob es sich zur Kundenbindung empfiehlt, ein Mal pro Quartal auf einen Schwatz in der Redaktion vorbeizuschauen.

Letztlich empfehlen viele Anleitungen zur Entwicklung eines Geschäftsmodells, dass man sich noch überlegt, wie das Produkt hergestellt wird. Beim herkömmlichen Journalismus scheint das recht simpel: ihr recherchiert, schreibt oder schneidet, fertig. Trotzdem lohnt es sich vielleicht, nach ein paar verschiedenen Aufträgen mal zu resümieren, welche Art Auftrag wie rentabel ist (hereingegebene Zeit vs. herausbekommene Euro). Die meiste Zeit fressen oft die Sachen, die wir nicht auf dem Schirm haben, von der Reiseplanung bis zur Transkription. Und wenn ihr schließlich komplexere Aufträge übernehmen wollt (ein ganzes Heft erstellen, eine multimediale Kampagne erarbeiten), dann solltet ihr vorab schon mehr als ein paar Gedanken investieren, um herauszufinden, welche Partner ihr dafür braucht (Grafiker, Fotografen, Layouter, …), wo ihr sie herbekommt und auf welcher Basis ihr zusammenarbeitet. Schnell kann ein Großauftrag zum großen Minusgeschäft werden.

Kernfragen:

  • Was produziert ihr?
  • Warum genau das?
  • Was könnt nur ihr?
  • Wie werbt ihr für euer Produkt?

Das Ertragsmodell

Das Ertragsmodell ist schnell zusammengefasst: Ihr schreibt Einnahmen und Ausgaben auf. Wie hoch eure Ausgaben sind und wie ihr das ganz gut zusammenrechnen könnt, ohne die Hälfte zu vergessen, haben wir an dieser Stelle beschrieben. Bei den Einnahmen solltet ihr euch nun überlegen, wer es ist, der euch laut eurem Geschäftsmodell Euro auf euer Konto überweist. Sind es die Leser*innen selbst? Ist es der Verlag für den ihr schreibt? Oder kommt das Geld vielleicht von Stiftungen, Projekt-Förderungen oder Preisen? Und wie viele von euren Produkten müsst ihr an welche Kunden und Kundinnen verkaufen, damit ihr eure Ausgaben decken könnt? Wenn ihr das wisst und euch die Zahlen realistisch scheinen, dann habt ihr auch den dritten Punkt erledigt.

Kernfragen:

  • Wofür gebt ihr Geld aus und wie viel ist es?
  • Womit verdient ihr Geld und wie viel ist es?

Am Ende könnt ihr euer nun erarbeitetes Geschäftsmodell nochmal daraufhin überprüfen, ob auch alles zusammenpasst. Gibt es bei eurer Kundschaft ein Bedürfnis nach eurem Produkt? Seid ihr auch die richtigen, um genau dieses Produkt anzubieten? Könnt ihr damit Geld verdienen und genügt es auch, um eure Ausgaben zu decken? Da wir alle ein wenig zum Selbstbetrug neigen (nicht nur Journalisten, das gilt – im Durchschnitt – für alle Menschen): Stellt es der Kolleg*in vor, die immer die hartnäckigsten Fragen stellt. Überarbeitet es. Die gute Nachricht: Für Meisterwerke, wie ihr sie liefert, finden sich eigentlich immer Abnehmer*innen.

Bild: shutterstock.com | patpitchaya

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BASICS – Mahnen: manchmal unvermeidlich https://freienbibel.de/mahnen/ https://freienbibel.de/mahnen/#respond Fri, 10 Jul 2020 06:47:53 +0000 http://freienbibel.de/?p=2436 Hier und da kommt in der Buchhaltung von Auftraggeber*innen etwas durcheinander, manchmal geht auch einfach was vergessen. Wenn Kund*innen Rechnungen nicht bezahlen, müsst ihr sie daran erinnern. Wie die richtige Mahnung aussieht.

Von Jan Schwenkenbecher

Irgendwann passiert es jedem einmal: ein Kunde oder eine Kundin zahlt seine Rechnung nicht. Zunächst mal gilt es, ruhig zu bleiben. In den allermeisten Fällen dürfte das an interner Bürokratie, Schlamperei oder Fehlern in der Buchhaltung liegen, in den allermeisten Fällen steckt also keine böse Absicht dahinter. Also wartet ruhig nochmal eine Woche ab, vielleicht kommt das Geld ja noch.

Das ist natürlich leichter hierhin geschrieben, als in manchen Situationen tatsächlich getan. Je nach Höhe der Rechnung kann von der Zahlungsmoral der Kund*innen schon mal abhängen, ob alle eigenen Rechnungen beglichen werden können. Bei Großaufträgen empfiehlt es sich deswegen, schon vorab Teilzahlungen mit festen Zahlungsfristen zu vereinbaren. Dann wartet ihr am Ende gegebenenfalls nicht auf gaaaanz viel Geld, sondern nur auf ganz viel Geld. Wichtig in jedem Fall ist, dass ihr eure eigene Buchhaltung so aufzieht, dass ihr immer den Überblick behaltet: wem habt ihr wann eine Rechnung gestellt und wann läuft die darin genannte Zahlungsfrist aus? Wenn ihr keine Frist angegeben habt, beläuft sich die Frist per Gesetz auf 30 Tage.

Geschieht nichts, solltet ihr dann als erstes erst einmal freundlich nachfragen, bevor ihr eine Mahnung schickt. Wenn die Nachbarin um zwei Uhr nachts die Musik festivallaut laufen hat, klingelt ihr ja auch erstmal an der Tür und ruft nicht direkt die 110 an. Reagiert die Nachbarin… ähem, die Auftraggeberin nicht, und die Zahlungsfrist ist überschritten, solltet ihr eine Mahnung schicken.

Die Mahnung – was gehört da rein?

Die Mahnung selbst muss nicht zwangsläufig das tabellarische Format einer Rechnung haben. Folgende Punkte sollten aber in ihr enthalten sein:

  • Das Wort „Mahnung“. Denn nur wenn Mahnung draufsteht, ist auch Mahnung drinnen.
  • Die Rechnungsnummer der nicht beglichenen Rechnung angeben. So weiß der Kunde (hoffentlich) gleich, worum es eigentlich geht.
  • Den offenen Betrag nennen.
  • Die ursprüngliche Zahlungsfrist angeben, bis zu der euer Kunde eigentlich hätte bezahlen sollen.
  • Eine neue Zahlungsfrist angeben, bis zu der euer Kunde bezahlen soll.

Wenn ihr mögt, könnt ihr die erste Mahnung auch „1. Mahnung“ nennen. Es gibt allerdings keine gesetzliche Vorgabe dazu, wie oft man Schuldner*innen, die ihre offenen Rechnungen nicht begleichen, ermahnen muss. Ihr könnt auch noch eine zweite und eine dritte Mahnung schicken, wenn sich nichts tut. Oder ihr stellt gleich einen Mahnantrag, ohne vorab eine Mahnung zu schicken (sofern das Zahlungsziel überschritten ist). Hier dürft ihr euer Fingerspitzengefühl einsetzen: Handelt es sich um treue und sonst problemfreie Auftraggeber*innen, dann schickt noch eine Mahnung mehr und ruft zwischendurch nochmal an. Fallen die Kund*innen ohnehin ständig als Sorgenkinder auf, dann habt ihr vielleicht mit einer strengeren Handhabung mehr Erfolg.

Als vorerst letzten Schritt (bevor es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt) könnt ihr einen Mahnantrag stellen. Das geht relativ bequem online: www.online-mahnantrag.de. Dort findet ihr ein gemeinsam aufgesetztes Portal der deutschen Mahngerichte und könnt euren Antrag gleich online stellen. Doch seid gewarnt: dem Mahnantrag können säumige Kund*innen recht leicht widersprechen und dann müsstet ihr vor Gericht ziehen, um eure Forderung auf dem rechtlichen Wege durchzusetzen. Das wiederum kostet Geld (das ihr im Erfolgsfall zurückbekommt) und Zeit (die ihr nicht zurückbekommt).

Es ist deshalb sehr zu empfehlen, zunächst mal alles daran zu setzen, offene Rechnungen unbürokratisch aus der Welt zu schaffen. Gegebenfalls schickt eine Mahnung – aber seht sie eher als freundliche Erinnerung, nicht als erste Eskalationsstufe (dann klingt auch der Ton so, in dem ihr sie schreibt). Und sollte es wirklich mal ernsthafte Probleme geben, dann vergesst am Ende eines nicht: Warnt eure Kolleg*innen vor solchen Auftraggeber*innen. Zum Beispiel im Forum des Berufsverbandes eurer Wahl.

Foto: shutterstock.com | agil73

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BASICS – Kunden finden: Wo bekommt ihr neue Auftraggeber*innen her? https://freienbibel.de/kunden-finden/ https://freienbibel.de/kunden-finden/#respond Mon, 29 Jun 2020 06:09:12 +0000 http://freienbibel.de/?p=2404 Ob neu im Geschäft oder schon lange dabei – ab und an muss jeder von uns mal nach neuen Kund*innen suchen. Hier stehen ein paar Strategien, wie ihr sie findet.

Von Jan Schwenkenbecher

Putt, putt, putt, ja, wo seid ihr denn? Gar nicht so leicht zu finden. Putt, putt, putt. Putt, putt, putt.
Ahhh, da seid ihr. Hab ich euch, meine lieben Auftraggeber*innen, habe ich euch doch gefunden. Ging ja dann doch ganz gut.

Zu Beginn des nächsten Basics-Teils eine simple Wahrheit: Wer etwas verkaufen will, braucht jemanden, der oder die es kauft. Für euch freie Journalist*innen sind das eure Auftraggeber*innen. Den ein oder anderen regelmäßigen Kunden hat man einfach so – weil man sich noch aus einem Praktikum kennt oder eine Bekannte da mal was vermittelt hat. Irgendwann kommt aber im Leben eines und einer jeden Freien der Moment, in dem wir uns auf die Suche nach neuen Kund*innen machen müssen. Weil wir neu im Geschäft sind, weil Stammkunden wegbrechen, weil wir uns umorientieren. Für diese Zeiten seien hier nun ein paar Tipps zusammengetragen, wo und wie ihr neue Auftraggeber*innen finden könnt.

Den Bahnhofskiosk durchstöbern

Der gute alte Bahnhofskiosk ist die wohl beste Auftraggeber-Auftragnehmer-Vermittlungsplattform im Journalismus. Wer weiß, worüber er schreiben möchte – und sei die Nische noch so nischig –, der findet hier das passende Magazin dazu: von der Aufwind (Thema: Modellflugzeuge) über The Knitter (Stricken) und die Münzen Revue (Münzen) bis zum Magazin Virus (irgendwie geht es um Gruselkram in Filmen oder in Computerspielen oder auch woanders). Deckt euch mit allem ein, was interessant sein könnte, und schmökert zu Hause in Ruhe herum.

Habt ihr eure Top-Liste erstellt, dann wisst ihr natürlich noch nicht, ob in den Zeitungen oder Zeitschriften auch Freie oder nur festangestellte Journalist*innen schreiben. Googelt den ein oder anderen Autor*innen-Namen, schon wisst ihr mehr. Und werft einen Blick ins Impressum, bei manchem Magazin findet sich dort sogar ein Hinweis, an wen sich Freie mit Themenvorschlägen wenden können.

Den Bahnhofskiosk gibt es mittlerweile natürlich auch im Internet. Hier, hier oder hier findet ihr jede Menge Zeitschriftentitel – alles potenzielle Arbeitgeber*innen. Das Lektüre-Angebot dürfte dort sogar eher noch umfassender sein als im Bahnhof. Einzig auf gestresste Pendler und pommespickende Tauben und pommespickende Pendler und gestresste Tauben müsst ihr dort verzichten.

Sich finden lassen

Wer keine Lust hat, selbst zu suchen, kann sich auch einfach suchen lassen. Kümmert euch darum, dass ihr im Internet gut gefunden werden könnt (eigene Website, Freischreiber- oder torial-Profil), dass an den jeweiligen Stellen eure inhaltliche Ausrichtung und eure Expertise klar dargestellt ist und dass es einen schnellen und einfachen Weg gibt, euch zu kontaktieren (E-Mail, Telefon). Dann legt ihr euch in die Sonne und wartet – oder fahrt zum Bahnhofskiosk.

Zwei Punkte gilt es bei dieser Strategie allerdings zu bedenken. Erstens ist es die Einschätzung des oder der Kund*in, ob ihr beide gut zusammenpasst, wenn du angefragt wirst. Es ist nicht deine Einschätzung. Das macht einen Unterschied. Überlege also gut, ob ihr auch wirklich zusammenkommen solltet. Zweitens verliert ihr ein dickes Stück Autonomie, wenn ihr nur noch Themen bearbeitet, die an euch herangetragen werden. Für den Spaß an der Sache mag es für den ein oder anderen wichtig sein, immer auch genügend eigene Themen umzusetzen – und die können nur von euch selbst kommen.

Die Kolleg*innenschau

Sucht nach Kolleg*innen, die das Gleiche tun wie ihr – die also auch über Modellflugzeuge oder Münzen schreiben. Es gibt sie. Die Freischreiber- oder torial-Profile könnt ihr nach den Schwerpunkten der Journalist*innen filtern, daneben gibt es noch weitere Datenbanken. Und auch eine schlichte Suchmaschinen-Anfrage („FACHGEBIET + Journalist“) dürfte euch auf die ein oder andere Website lenken. Habt ihr ein paar Fachkolleg*innen gefunden, schaut einfach mal nach, wo die sonst noch so schreiben. Da stoßt ihr sicher auf das ein oder andere Medium, von dem ihr noch nie gehört habt.

Vergesst mal Print

Glücklicherweise sind die allermeisten unserer Texte mehr wert als die Tinte, mit der sie gedruckt werden, und das Papier, auf dem sie stehen. Das heißt: Sie haben einen Wert, der über den Materialwert hinausgeht. Und das heißt: Man kann sie auch verkaufen, ohne dass sie gedruckt sind. Und daaaaaas hei … , ach, ihr wisst schon, Internet und so. Nicht alle Texte, für die Auftraggeber*innen Geld bezahlen, liegen im Bahnhofskiosk herum.

Macht euch schlau: Welche Websites und Blogs gibt es in eurem Fachgebiet? Haben die Verlage eigene Online-Auftritte mit eigenen Redaktionen und eigenen Texten? Gibt es reine Online-Magazine? Und wer schreibt da so? Sind auch Freie dabei? Dann nichts wie ran an die Kontaktaufnahme.

Vermittlungsplattformen

Ja, es gibt sie. Nein, ich habe noch von niemandem gehört, dass er oder sie damit erfolgreich einen Auftrag oder gar eine langfristige Kundin gewonnen hätte. Vermittlungsplattformen, ihr Versprechen geht so: Journalist*innen melden sich an, erstellen ein Profil, und wenn Auftraggeber*innen einen Text brauchen, schauen sie in die Datenbank und picken sich einen Schreiberling heraus. Tatsächlich haben solche Plattformen (die bekannteste dürfte wohl textbroker.de sein) eher den Ruf, zu einem Preisdumping zu führen. Und die ein oder andere Plattform, die es mal gab, gibt es auch schon wieder nicht mehr – man kann sich vorstellen, dass Auftraggeberin und Auftragnehmerin beim Folgeauftrag einen anderen Weg einschlagen als eine provisionspflichtige Vermittlungsplattform. Eine Ausnahme möchte SCRIBERS[HUB] sein, dort soll es kein Preisdumping geben. Kann sein, kann auch nicht sein.

Netzwerken

Wir sind Journalist*innen und als solche kennen wir andere. Nutzt das. Denn die Journalist*innen, die wir so kennen, die bekommen auch Aufträge, und vielleicht haben sie mal keine Zeit, und dann denken sie an euch. Ihr müsst ihnen nur sagen, was ihr so macht, worüber ihr so schreibt. Oder sie sind in einer oder kommen in eine Position, in der sie selbst Autor*innen für Themen suchen – dann denken sie vielleicht an euch. Man kann es gar nicht oft genug schreiben: Vernetzt euch. Das bringt jede Menge Vorteile – zum Beispiel vielleicht den nächsten Auftrag.

Bild: shutterstock.com | matka_Wariatka

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Tools nach Typ: Sechs Programme, mit denen ihr eigene Projekte gefördert bekommt https://freienbibel.de/forderprogramme/ https://freienbibel.de/forderprogramme/#respond Sun, 28 Jun 2020 12:28:29 +0000 http://freienbibel.de/?p=2391 Nicht immer hat man für eine gute Idee gleich eine Redaktion an der Hand. Ich spreche aus Erfahrung: Sensorjournalismus war vor fünf Jahren noch terra incognita. Wer will schon ein Experiment mit Sensoren und Urzeitkrebsen machen? Zum Glück bin ich dazu gekommen, es fördern zu lassen. Hier stelle ich sechs Labore für neuen Journalismus vor. Was alle verbindet: den Spaß an neuen Ideen und eine engmaschige Betreuung durch erfahrene Mentor*innen.

1. Für Technologie-Aficionados: das Medieninnovationszentrum Babelsberg

Eine halbe Stunde von Berlin entfernt hat das Medieninnovationszentrum Babelsberg seinen Sitz. Das MIZ ist Teil der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) und finanziert sich durch Rundfunkbeiträge. Für Medienprofis gibt es eine Förderung von 37.500 Euro für Projekte, die einen technologischen Innovationswert haben. Das kann ein Baukasten für interaktive und non-lineare Hörspielformate sein, ein Sensorprojekt für Radverkehr oder Virtual Reality für konstruktiven Journalismus. Hört sich spacig an? Total. Wenn man eine technologisch innovative Idee hat, bekommt man beim MIZ ein Team, das für die Idee brennt. Und man trifft andere Teams, die sich in solche Ideen verliebt haben. Das MIZ ist einer dieser Orte, an dem man spürt, wie Technologie den Journalismus besser machen wird. Für die Bewerbung braucht es einen Dreiseiter mit Finanzierungsplan, über die Vergabe entscheidet dann eine Jury nach einem kurzen Vor-Ort-Pitch. Projekte erhalten die Gelegenheit, sich auf der Mediaconvention Berlin vorzustellen.

2. Für Codejunkies: der Prototypefund

Manchmal ist es ein Stück Software, das für ein Projekt fehlt. Für unsere Dialogrecherche 50survivors nutzen wir ein selbstentwickeltes Stück Software, um einen Dialog mit 50 Menschen zu führen. Der Prototypefund vergibt 47.500 Euro für Open Source Projekte. Das Geld kommt von der Bundesregierung. Die Ausschreibung richtet sich nicht direkt an Journalist*innen, sie haben aber Chancen, denn es geht um “Public Interest Tech”. Die Antragstellung ist mithilfe eines Formulars gut strukturiert. Hier müssen Fragen beantwortet werden wie: Welches gesellschaftliche Problem willst du mit deinem Projekt lösen? Und: Wie willst du dein Projekt technisch umsetzen? Es geht technologisch zur Sache. Schon hier ist es wichtig, eine*n Coder*in im Team zu haben. Am 1. August 2020 startet die neunte Bewerbungsrunde.

3. Für Reporter*innen zwischen Rhein und Ruhr: Vor.Ort NRW

Das Journalismuslab von Vor.Ort NRW ist ein Inkubator für Nordrhein-Westfalen. Dahinter steht die Landesanstalt für Medien NRW, die das Lab mit Mitteln aus dem Rundfunkbeitrag finanziert. “Wir unterstützen Medienschaffende dabei, professionellen Journalismus innovativer, nutzerzentriert und konkurrenzfähig zu machen.” Das Media Innovation Fellowship dauert sechs Monate. 

Leute, die dort gefördert wurden, haben schon einen autonom fahrenden Roboter für Kamerafahrten und ein KI-gesteuertes Portal für hyperlokale News erfunden. Wie ihr seht, auch ganz schön techniklastig. Alle Projekte müssen auf NRW ausgerichtet sein. Bevor man eine Bewerbung einreicht, lohnt es sich jedenfalls, schon einmal mit der Idee anzuklopfen. 

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4. Für Skalierer*innen: nextMedia.Hamburg

Wer keine Angst davor hat, sein Projekt für Venture Capital schmackhaft zu machen, sollte sich bei nextMedia bewerben. Journalismus heißt hier Content. Die Förderung zielt darauf ab, aus einer Idee ein Start-up und ein Geschäftsmodell zu machen. NextMedia ist Teil der Hamburg Kreativ Gesellschaft und hat beste Verbindungen ins Hamburger Ökosystem. Im Programm Media Lift gibt es bis zu 15.000 Euro pro Team. Der Blick auf das eigene Tun wird unternehmerisch. Die Crew gibt nützliche Hinweise.

5. Für Wissensmaster: die Masterclass Wissenschaftsjournalismus

Wer für Wissenschaftsjournalismus brennt, sollte sich für die Masterclass bewerben. Riffreporter-Gründer Christian Schwägerl entwickelt mit seinen Fellows innovative Projekte, Riffreporter und Robert-Bosch-Stiftung helfen 12 Journalist*innen beim Verwirklichen. Frühere Projekte waren beispielsweise eine Expedition in die Klänge der Natur, ein Themenfinder Insekten oder ein Spiel zur Agrarwende (von Bibel-Kollegin Katharina). In der aktuellen Runde werden Projekte in Kooperation mit Bibliotheken umgesetzt. Die Fellows erhalten 5000 Euro netto plus Reisekosten. Die Masterclass eignet sich für alle, die gern Feedback von gleichgesinnten Kolleg*innen bekommen und als Ergebnis eher ein journalistisches Format als ein Start-up im Kopf haben. 

6. Für Pitcheritas: das Medialab Bayern

Ob in Berlin, Potsdam, Hamburg oder München: Ein Weg in die Zukunft des Journalismus führt über Medialabs. Aus eigener Erfahrung: Es gibt nichts Schöneres, als etwas zu erfinden, von dem man schon länger träumt. Es macht Spaß, zu gründen, Teams zu finden. Und es ist okay, eine Idee auszuprobieren, die vielleicht doch nicht das nächste große Ding ist.

Das beste Marketing unter den Medialabs machen die Bayern. Geschäftsführerin Lina Timm und ihr Team setzen auf die unkomplizierte Förderung verrückter Ideen: Ob eine Fitness-App fürs Familienleben, eine Data-as-a-Service-Plattform oder den KI-basierten digitalen Ingenieur. Schon 44 Medien-Start-ups haben die Bayern gefördert. Im Media-Start-up-Fellowship bekommen Start-ups bis zu 40.000 Euro Prototyping-Budget und zusätzlich weitere 10.000 Euro als Beratungsleistungen. Die Förderung ist gestaffelt in Stufen: Nach jeder Stufe gibt es eine Pitch-Runde für die nächste Portion Geld. Neben Geld, Mentoren und Netzwerk gibt es einen Arbeitsplatz im Co-Working-Space. Bewerbung, fertig, los!

Offenlegung: In meiner Karriere habe ich sowohl Geld von MIZ Babelsberg, der Bosch-Stiftung und dem Prototypefund bekommen und mich bei einigen anderen schon vergebens beworben. Ich bin Genosse bei Riffreporter.

Bild: shutterstock.com

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#KritischesWeißsein: War mein Artikel rassistisch? https://freienbibel.de/kritischesweisssein-war-mein-artikel-rassistisch/ https://freienbibel.de/kritischesweisssein-war-mein-artikel-rassistisch/#respond Sun, 21 Jun 2020 21:35:47 +0000 http://freienbibel.de/?p=2325 Vor einigen Monaten begleitete ich eine nigerianische Delegation bei einer Bildungsreise durch Deutschland. Auf meinen Artikel in der ZEIT folgten Leser*innenbriefe mit Rassismusvorwürfen. Was ist da passiert?
Eine Reflexion

Unter dem Hashtag #KritischesWeißsein hat der Journalist Malcolm Ohanwe weiße Menschen dazu aufgefordert, sich mit ihrem Weißsein kritisch auseinanderzusetzen: “Ihr seid weiß und wisst, wie es ist, weiß zu sein. Macht ihr jetzt die Arbeit und redet und schreibt darüber!” Und das tun wir hier in loser Folge.

Der Auftrag war spannend: Für die ZEIT sollte ich zwei Tage lang eine Delegation aus Nigeria begleiten, bestehend aus Bildungspolitiker*innen und Unternehmens-Vertreter*innen. Auf Einladung der Bundesregierung wollten die Nigerianer*innen das deutsche System der dualen Berufsausbildung kennenlernen. Ich würde die Delegation in Werkstätte und Berufsschulen begleiten und am Ende ein Feature zu der Frage verfassen, inwiefern der Export eines Bildungssystems klappen kann. Entwicklungszusammenarbeit, Bildung, Chancengerechtigkeit – allesamt reizvolle Themen für mich. Ich sagte sofort zu.

Ich kniete mich in die Recherche. Ich las ausführlich über Entwicklungszusammenarbeit in der Berufsbildung. Während der Reise sprach ich lange mit den nigerianischen Delegationsmitgliedern. Bei den gemeinsamen Busfahrten erzählten sie mir von den Herausforderungen in ihrer Heimat und teilten ihre Eindrücke über das deutsche System mit mir. Die Stimmung in den Gesprächen war aufgeschlossen, zugewandt und von ehrlichem Interesse geprägt. Ich interviewte außerdem Mitarbeiter*innen des Bundesinstituts für Berufsbildung, sprach mit einem Wirtschaftspädagogen, Berufsschul-Vertreter*innen und mit einer Nigeria-Expertin. Wie bei den meisten Recherchen hatte ich am Ende den Eindruck, dass die Sache viel komplexer war als anfangs gedacht.

Beim Schreiben plagte ich mich. Gefordert war ein Feature mit einem analytischen Zugang und lebendigen Reportageelementen. Als Einstiegsszene wählte ich unseren gemeinsamen Besuch in einer Lehrlingswerkstatt in Bonn. In knappen Sätzen beschrieb ich, wie die nigerianische Delegation durch die Ausbildungs-Werkstatt ging, Smartphone-Fotos schoss und den deutschen Lehrlingen beim Schweißen über die Schultern blickte. Ich beschrieb „den schüchternen Jungen im Blaumann“ und die Gruppe Nigerianer*innen, die „Anzüge, bodenlange Kaftane, bunte Kleider in Batikoptik und mit Leopardenprints“ trug.

Die Redaktion änderte fast nichts

Die Redaktion nahm den Artikel ohne große Änderungswünsche an, aufgrund einer Anzeige musste dieser allerdings stark gekürzt werden. Der Text erschien im November 2017 in der ZEIT. Ein paar Wochen später flatterten schließlich (neben einigen positiven Rückmeldungen) drei sehr kritische Schreiben in mein Postfach. Diese Leser*innenbriefe auf mich wirken zu lassen ist bis heute schmerzhaft: Ich sei eine „Redakteurin mit verstaubter Kolonialbrille“, heißt es darin, ich würde „Afrikaner sprachlich herabsetzen“. Ich schluckte. Ich? Rassistisch? Wie war das gemeint?

Ich las die Mails mehrmals und ausführlich. Alle drei Leser*innenbriefe arbeiteten sich insbesondere an meiner Wortwahl und meinen szenischen Beschreibungen ab. Eine Leserin ärgerte sich, dass ich eine nigerianische Politikerin „als energische Frau mit großen Goldohrringen“ beschrieb. „Ist es erwähnenswert, wie PolitikerInnen und UnternehmerInnen auf einer Dienstreise gekleidet sind?“, schrieb sie. Der Fokus auf die Kleidung trage dazu bei, postkoloniale Sichtweisen auf „Afrikaner“ zu reproduzieren. „Mir erscheint die Beschreibung der Kleidung wie eine Suche nach dem vermeintlich ‚Fremden‘“.

Eine andere Leserin echauffierte sich über die Formulierung, dass die Nigerianer*innen in einem „kleinen Reisebus“ durch Deutschland „tingeln“ würden und Informationen in ihre Blöcke „kritzeln“. Tingeln, kritzeln, kleiner Reisebus? Die Leserin war sich sicher, dass ich andere Worte gewählt hätte, würde ich etwa über eine Schweizer Delegation schreiben.

Ich: rassistisch?

Ich war verunsichert. Hatte ich unterbewusst eine herabwürdigende Sprache gewählt – oder gehörten Worte wie „tingeln“ oder „kritzeln“ einfach zu meinem Sprachschatz? Ich durchsuchte andere Artikel von mir, fand auch in Berichten über weiße Menschen ähnliche Begriffe und Beschreibungen von Kleidung und Aussehen – und kam dennoch zu keiner eindeutigen Antwort. Ein Anruf in der ZEIT-Redaktion beruhigte mich. Keine*r der (weißen) Redakteur*innen, die den Artikel gelesen und redigiert hatten, konnten darin rassistische oder postkoloniale Untertöne erkennen. Ich beantwortete die Leser*innenbriefe freundlich, aber bestimmt. Innerhalb der Redaktion würden wir die Kritikpunkte ernst nehmen, könnten den vorgeworfenen unsachlichen Blick aber nicht erkennen.

Damit war die Sache erledigt. Eigentlich. In regelmäßigen Zeitabständen meldete sich dennoch mein schlechtes Gewissen. Vor allem, wenn Rassismusdebatten aufkeimen – so wie gerade –, erinnere ich mich an die Erfahrung mit den Leser*innenbriefen. Was meine nigerianischen Protagonist*innen über den Artikel denken, habe ich leider nie erfahren. Zwar haben sich die Delegationsmitglieder für die Zusendung der Fotos und des deutschen Skripts bedankt. Ob jemand den Text für sie übersetzt hat, weiß ich allerdings nicht.

Bis heute frage ich mich: Habe ich das Erscheinungsbild der Delegation aus Nigeria rassistisch beschrieben oder in meinem Auftrag als Journalistin, die etwas sieht und es wiedergibt? War mein Text diskriminierend, und wer kann und darf das überhaupt entscheiden? Und: Wie geht das, als weiße Journalistin sicher einzuschätzen, ob ich andere Menschen exotisiere oder nicht? All das weiß ich nicht. Und ich weiß auch nicht, wie man dahin kommt.

Heute lese ich meinen Artikel anders

Für diesen Text habe ich meinen damals publizierten Artikel nochmals gelesen. Heute bin ich selbst unzufrieden mit vielen Formulierungen. Vieles wirkt platt, polarisierend und vereinfachend. Auf meinem Computer suchte ich nach der ursprünglichen, ungekürzten Version. Auch diese ist weit davon entfernt, perfekt zu sein. Dennoch erkenne ich in der ungekürzten Version einen differenzierteren Blick, der den Blickwinkeln und Erfahrungswelten der Nigerianer*innen mehr Platz einräumt. Aus Platzgründen wurden etwa die Infos zum Berufsbildungssystem in Nigeria gestrichen – und meine Erläuterungen zur Entwicklungszusammenarbeit, die immer auf Augenhöhe und in beide Richtungen funktionieren soll. Was stehenblieb, waren hingegen die szenischen Beschreibungen über das Aussehen und Verhalten der Nigerianer*innen.

Was werde ich in Zukunft anders machen? Eine klare Antwort habe ich nicht. Aber ein paar Ansätze: Wenn ich in Zukunft über „People of Color“ schreibe, werde ich noch sorgsamer als sonst bei meiner Sprachwahl sein (und hoffentlich dennoch unverkrampft beim Schreiben bleiben). Ich werde journalistische Reflexe infrage stellen, die das „vermeintlich Exotische“, „Überraschende“ und „Andersartige“ in den Vordergrund rücken wollen. Und ich werde stärker über institutionalisierte Rassismen in unserem Mediensystem nachdenken. Denn allein dass wir uns bei der Wahl der Delegation für die nigerianische (und nicht etwa die belarussische) entschieden haben, war wahrscheinlich kein Zufall. Unterbewusst hatten wir (auch ich!) uns wohl von den (schwarzen) Besucher*innen aussagekräftigere Bilder erwartet.

Und noch etwas habe ich mir vorgenommen: empfänglicher zu sein für kritische Leser*innenbriefe und Rückmeldungen, auch wenn sie harsch formuliert sind. Mich nicht einzuigeln und in Abwehrhaltung zu gehen, sondern meinen Blick und meine Rolle als weiße Journalistin selbstkritisch zu reflektieren. Ich wünsche mir, dass wir so in den nächsten Monaten gemeinsam neue journalistische Umgangsarten entwickeln, die sensibler mit rassistischen Stereotypen, Untertönen und Reflexen in der medialen Berichterstattung umgehen. Zugleich wünsche ich mir, dass diese Diskussion unverkrampft und ohne unverhältnismäßige Anschuldigungen geführt wird, die die Fronten nur verhärten. Ich hoffe sehr, dass mich viele Journalist*innen und Medienmenschen auf diesem Weg begleiten. Meine selbstkritische Reflexion hier kann nur ein Anfang sein.

Was sind eure Erfahrungen mit der Berichterstattung über People of Color? Wie reflektiert ihr euer eigenes Weißsein als Journalist*innen? Und wie beschreibt ihr das „Andere“, ohne zu diskriminieren und herabzuwürdigen?

Foto: shutterstock.com | JIANG HONGYAN

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Frei im Kopf: Inspirations-Camp, Woche 10 https://freienbibel.de/frei-im-kopf-inspirations-camp-woche-10/ https://freienbibel.de/frei-im-kopf-inspirations-camp-woche-10/#respond Thu, 18 Jun 2020 20:28:50 +0000 http://freienbibel.de/?p=2332 Die Autorin im Selbstversuch mit dem Klassiker „Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron. Ein Zehn-Wochen-Programm mit Katharina Jakob

Die Zeitreise

Hut in die Luft! Das Zehn-Wochen-Experiment mit Julia Camerons “Weg des Künstlers” ist geschafft. Habt ihr die ein oder andere Übung mitgemacht? Und dabei neue Ideen bekommen? Oder denkt ihr: Nö, mir hat das null gebracht? Mein Fazit ziehe ich mithilfe des Experiments Nummer 10, der Zeitreise.

“Beschreiben Sie sich selbst mit achtzig. Was haben Sie nach Ihrem fünfzigsten Lebensjahr gemacht, was Ihnen Spaß gemacht hat?”, heißt die Anweisung zur Übung. “Welche Träume würden Sie fördern? Welchen Interessen würden Sie sich auffordern, nachzugehen?”

Ich würde das hier schreiben: “Jetzt bist du achtzig, meine Liebe, und hast dich hoffentlich schon vor Jahrzehnten von deiner Arbeitswut befreit. Du hast sorgsam darauf geachtet, jeden Tag mehr Spaß als Pflichten zu haben. Du bist niemals irgendwo hingegangen, ohne Feldstecher und Badeanzug eingepackt zu haben. Du hast das Zen des Sports sehr ernst genommen und gelernt, auch im Winter noch im See zu schwimmen. Und dein größtes Vergnügen an freien Tagen war es, ein neues imaginäres Leben auszuprobieren. So bist du tatsächlich mal Walforscherin gewesen und hast die Pottwale im Mittelmeer beobachtet. Auch kannst du mittlerweile alle Garten-, Wasser-, Wald- und Feldvögel nur an ihren Stimmen erkennen. Wollte dir jemand einen Auftrag geben, hatte er mittwochs keine Chance. Denn da warst du immer unterwegs und hast deine Zeit vertrödelt. Künstlertreff hast du das genannt. Allerdings: Morgenseiten hast du nie geschrieben. Na ja, war vielleicht auch nicht unbedingt nötig, ging ja auch so.”

Und hier ist meine Lehre aus der Beschäftigung mit diesem alten Buch: Arbeite viel, viel weniger, hab viel mehr Spaß. So schlicht lässt sich das auf den Punkt bringen. Das Irrwitzige ist ja, dass Schreiben richtig doll Spaß macht – aber nur, wenn man es nicht übertreibt. Auftrag um Auftrag abzuarbeiten macht überhaupt keinen Spaß, jedenfalls nicht mir. Wie eine Getriebene an Wochenenden und im Urlaub zu schreiben ist einfach nur abartig, das tötet die Lust am Beruf. Und deshalb verziehe ich mich jetzt in eine lange Sommerpause, in der ich nichts anderes schreibe als Einkaufslisten oder Liebesbriefe oder Autogramme oder Wunschzettel. Aber ein paar kleinere Übungen aus Camerons “Weg des Künstlers” lege ich euch noch ans Herz, sozusagen als Wegzehrung. Sie heißen:

Luxus

Ein gewagtes Wort bei freien Journalist*innen? Ach was. Luxus hat nichts mit Geld zu tun. “Wodurch erfahren wir wirkliche Freude? Das ist die Frage, die den Luxus anspricht, und für jeden von uns fällt die Antwort anders aus.” Das kann eine Schale Himbeeren sein, die man sich verkneift, aus irgendwelchen dummen Gründen. Das kann eine Stunde Trommeln im Übungskeller sein oder ein Wochenende mit einer verdammt guten Freundin. “Blockierte Kreative”, schreibt Cameron, “sind oftmals die Aschenputtel dieser Welt.” Wir gönnen uns nix. Und daher bedeutet Luxus als Übung: Schreib dir deine verbotenen Freuden auf, das, was du dir normalerweise nicht gönnst. Und dann machst du genau das.

Sag die Wahrheit

Das ist eine – zugegeben nicht sehr angenehme – Übung, um schlechte Gewohnheiten zu durchbrechen. Destruktive Gewohnheiten, die euch daran hindern, kreativ zu sein.

Ihr nehmt ein Blatt Papier und einen Stift. Und dann schreibt ihr Antworten zu folgenden Fragen auf und seid dabei so ehrlich, wie ihr nur sein könnt:
“Sagen Sie die Wahrheit. Welche Ihrer Gewohnheiten stehen Ihrer Kreativität im Weg? Sagen Sie die Wahrheit. Was, glauben Sie, könnte ein Problem sein? Es ist eines. Was möchten Sie dagegen unternehmen? Sagen Sie die Wahrheit: Welche Ihrer Freunde bringen Sie dazu, an sich selbst zu zweifeln? Was haben Sie davon, Ihre destruktiven Freunde zu behalten? Wenn die Antwort lautet: ,Ich mag sie’, dann lautet die nächste Frage: ,Warum?‘”

Wenn ihr eure Antworten beisammen habt, setzt ihr euch das, was Cameron “die untere Grenze” nennt: “Beginnen Sie mit denjenigen Verhaltensweisen, die Ihnen die größten Schmerzen bereiten. Setzen Sie eine untere Grenze.”
Und die muss wirklich klein sein, damit ihr sie einhalten könnt. Das kann so was sein wie: keine Arbeit nach 20 Uhr, die nächsten drei Tage. Oder: Wenn XY anruft, gehe ich nicht ran, jedenfalls nicht bis übermorgen. Oder: Eine Woche lang schaue ich mir keine Horrorfilme an.

So könnt ihr euch Schritt für Schritt aus destruktiven Gewohnheiten herausarbeiten, zumindest in der Theorie. In der Praxis hab ich das noch nicht ausprobiert.

Rückschritte reparieren

Und das ist was, das ich gern nach meiner Sommerpause – meiner laaaaaaaaangen Sommerpause – machen möchte. Die Übung heißt Rückschritte reparieren. “Wir alle haben Rückschritte gemacht”, schreibt Cameron. “Nennen Sie einige, die Sie gemacht haben.” Am besten schreibt ihr sie auf einen Zettel, weil damit gleich noch was passieren soll. “Wählen Sie einen Rückschritt aus. Erlauben Sie sich, ihn wieder gutzumachen. Reparieren Sie ihn.”

Jetzt wollte ich euch gerade Adieu sagen, doch dann fiel mir diese kleine Übung noch vor die Füße. Ein Gruß aus der analogen Welt, die so oft so viel kreativer ist als die digitale:

Postkarten an eure echten Freunde

“Verschicken Sie Postkarten an fünf Freunde. Das ist keine Höflichkeitsübung. Verschicken Sie sie an Freunde, von denen Sie wirklich gern hören würden.”

Aye, aye, das ist eine großartige Idee. Und damit verabschiede ich mich aus dem Inspirations-Camp. Allen Kolleg*innen wünsche ich viel Spaß und einen magischen Sommer.

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BASICS – Rechnung schreiben: aber richtig https://freienbibel.de/rechnung-schreiben/ https://freienbibel.de/rechnung-schreiben/#respond Sun, 14 Jun 2020 21:14:39 +0000 http://freienbibel.de/?p=2228 Freie Journalist*innen müssen ständig Rechnungen schreiben. Doch was genau gehört noch mal auf eine Rechnung? Eine kurze Übersicht: als Check-up für alte Hasen oder Tutorial für junge Füchse

Von Jan Schwenkenbecher

Die Umsätze im Land sollen steigen, dafür muss die Mehrwertsteuer sinken. Der normale Satz fällt von 19 auf 16 Prozent, und der vergünstigte Satz purzelt von sieben auf fünf Prozent. Gerade Letzteres interessiert uns freie Journalist*innen in besonderem Maße: Müssen wir doch nun alle mal ran an unsere Rechnungsvorlage und diese für die Zeit von Juli bis Dezember anpassen. “7 % Umsatzsteuer” raus, “5 % Umsatzsteuer” rein.

Ja, ach, und wo die Vorlage nun eh schon offen ist: Lest schnell den Text zu Ende und werft doch einen kurzen, prüfenden Blick auf eure Rechnung. Steht denn wirklich alles drinnen, was das Gesetz verlangt? Natürlich eignet sich der folgende Artikel auch für all diejenigen, die noch keine solche Rechnungsvorlage besitzen, gern aber eine hätten – auch euch soll am Ende geholfen werden.

Also mal los. Die gesetzlichen Anforderungen an eine jede von Selbstständigen ausgestellte Rechnung sind im Umsatzsteuergesetz niedergeschrieben. Falls mal jemand den genauen Wortlaut nachschlagen möchte: Paragraf 14 – Ausstellung von Rechnungen. Es gibt allerdings noch ein paar andere Punkte, für die auf jeder Rechnung ein Plätzchen frei sein sollte und die ihr besser noch dazuschreibt. Sie sind nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber ihr werdet schon sehen, was ich meine.

Damit jede*r ein Bild vor Augen hat, wenn es gleich um die einzelnen Punkte auf der Rechnung geht, sei euch an dieser Stelle zunächst ein Bild vor Augen gesetzt – das Bild einer Musterrechnung:

Die Punkte eins bis elf sind die gesetzlichen Anforderungen an eine Rechnung. Mindestens enthalten muss die Rechnung also:

  1. Name und Anschrift von euch
  2. Name und Anschrift der Auftraggeber*innen
  3. Rechnungsdatum
  4. Rechnungsnummer (muss fortlaufend sein, darf auf keinen Fall doppelt vergeben werden)
  5. Leistungsbeschreibung (Menge, Umfang, Art, ggf. auch Zahl gearbeiteter Stunden oder Tage)
  6. Leistungszeitraum und/oder Lieferdatum
  7. Nettobetrag
  8. Umsatzsteuer-Satz (meist 7 % für Journalist*innen; von Juli bis Dezember 2020 nur 5 %)
  9. Umsatzsteuer-Betrag
  10. Bruttobetrag
  11. Steuernummer

Darüber hinaus empfehlen sich folgende weitere Angaben:

  1. Kurzes Anschreiben (sonst klingt’s blöd)
  2. Zahlungsfrist (sonst dauert’s lange)
  3. Eure Bankverbindung (sonst kommt’s nicht)

Und das war es eigentlich auch schon. 14 Punkte, und eure Rechnung ist komplett. Ihr dürft sie natürlich nach Belieben anpassen und mit eurem Logo oder eurem Lieblings-Font versehen. Aber bitte nicht zu viel Schnickschnack – wir sind doch Profis. Noch ein Hinweis für alle Kleinunternehmer*innen: Wenn ihr Kleinunternehmer*innen und damit von der Umsatzsteuer befreit seid, dann müsst ihr einen entsprechenden Hinweis auf die Rechnung setzen. Zum Beispiel: „Nicht umsatzsteuerpflichtig nach § 19 UStG“.

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Frei im Kopf: Inspirations-Camp, Woche 9 https://freienbibel.de/inspirations-camp-folge-9/ https://freienbibel.de/inspirations-camp-folge-9/#respond Fri, 12 Jun 2020 09:10:34 +0000 http://freienbibel.de/?p=2237 Die Autorin im Selbstversuch mit dem Klassiker „Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron. Ein Zehn-Wochen-Programm mit Katharina Jakob

Den Brunnen füllen

Das vorletzte Camp beginnt, die neunte Übung mit Julia Camerons „Weg des Künstlers“. Sie ist so flockig-leicht wie die Experimente am Anfang, als ich noch Ornithologin spielte und Taranteln malte. Sie heißt: den Brunnen füllen. Es geht darum, mithilfe von Bildern wieder aufzutanken, wenn man ausgelaugt ist nach zu viel Arbeit. „Die Sprache der Kunst“, schreibt Julia Cameron, „besteht aus Bildern und Symbolen. Sie ist eine wortlose Sprache, selbst dann, wenn unsere Kunst darin besteht, sie mit Worten zu jagen.“

Zur Erinnerung: Habt keine Scheu vor dem Wort „Kunst“, auch wenn wir keine Künstler*innen sind. Es meint das Handwerkszeug, das wir als kreative Handwerker*innen brauchen. Und wenn wir so tagein, tagaus kreativ sind, über Beiträgen brüten, unser Bestes geben, dann versiegt allmählich die Quelle. „Jede längere Arbeitszeit und jedes größere Werk zapfen unseren künstlerischen Brunnen stark an. Unsere Arbeit trocknet aus.“ Dann müssen wir den Brunnen wieder füllen. Bloß wie? „Wir füttern ihn mit Bildern“, schreibt Cameron. Das kann man ganz wörtlich nehmen: Bildbände anschauen, Gemälde in Museen betrachten. In alten Fotos stöbern. „Den Brunnen füllen schließt die aktive Suche nach Bildern ein, um unsere künstlerischen Reservoire aufzufrischen.“

Bildband: 3,2 Kilo

Das nehme ich jetzt mal ganz wörtlich. Es ist spätabends, ich bin müde nach einem zu langen Arbeitstag. Aber diese Übung kommt mir gerade recht. Denn ich horte Bildbände, die ich mir so gut wie nie anschaue, weil mir die Muße dafür fehlt. Dabei liebe ich diese schweren Schinken, die man sich auf die Oberschenkel legen muss. Spaßeshalber wiege ich „Planet Meer“, während ich darauf warte, dass das Teewasser kocht. Satte 3,2 Kilo bringt der Bildband auf die Waage, genauso viel wie Andy Goldsworthys „Projects“. Wenn Bilder den Brunnen wieder füllen, dann vertiefe ich mich jetzt in meine Fotobände von ziehenden Gnu-Herden („Das große Wunder der Tierwanderungen“) und den riesigen steinernen Ei-Skulpturen des schottischen Land-Art-Künstlers Andy Goldsworthy („A Collaboration with Nature“). 

Einige seiner Arbeiten kenne ich. Vor zwei Jahren habe ich Goldsworthy in Schottland besucht, um ein Porträt über ihn zu schreiben. Aber ich bin das Thema nie losgeworden, bis heute ist das Stück ungeschrieben. Dabei schafft der Mann fantastische Dinge aus Elementen der Natur, aus Blättern, Zweigen, Eiszapfen. Vielleicht, so denke ich, während ich die Seiten umblättere und wieder hingerissen bin von Goldsworthy-Eisbögen und Mauern, in denen er Bäume versenkt hat, vielleicht sollte ich das Porträt doch noch schreiben, nur für mich. Und damit herumexperimentieren. Ein Porträt, wie ich es noch nie gemacht habe. Wie ich es mich auch nicht trauen würde bei einem Text, den ich verkaufen will. Vielleicht streue ich O-Töne von Leuten dazwischen, die ihn nicht kennen und die ich auf der Straße befragen würde. “Goldsworthy? Wer soll das sein? Zeigen Sie doch mal was von seinen Sachen. Oha. Das sieht ja irre aus. Wie hat er das gemacht? Stellt der sich echt in einen See und montiert Zweige aneinander?”

Ein Waisenheim für Texte

Bei Riffreporter, einer Journalist*innen-Genossenschaft, gibt es ein Projekt namens „Unverkäuflich“. Es ist eine Art Waisenheim für Texte. Da stellt die Autorin ihre Stücke online, die niemand haben wollte, zusammen mit den Ablehnungsbegründungen. Eine großartige Idee, finde ich. Und während ich so durch die Seiten von „Planet Meer“ blättere, stelle ich fest, dass ich die ganze Zeit über Ideen nachdenke. Über neue Darstellungsformen im Journalismus, wo die alten doch schon seit Jahrhunderten in Betrieb sind und sich kaum ändern. Was ich verwunderlich finde, weil in unserer Branche gerade alles auf links gedreht wird. In Camerons Buch gibt es im Kapitel “Risiko” eine mögliche Antwort. “Wir erkennen nicht an”, heißt es dort, “dass wir, um etwas gut machen zu können, zuerst bereit sein müssen, es schlecht zu machen. Stattdessen entscheiden wir uns dafür, unsere Grenzen dort zu setzen, wo uns ein Erfolg sicher ist.”

Fische mit Beinen

Doch zurück zu meinen Bilderbüchern. „Wenn Sie den Brunnen füllen“, schreibt Cameron, „dann denken Sie an Magie. Denken Sie an Vergnügen. Denken Sie nicht an Pflicht.“ Genau das tue ich jetzt. Stoße im Meeresband auf ein unglaubliches Foto. Es zeigt Fische, die nicht schwimmen können. Sie leben auf dem Meeresboden und laufen dort herum, mit Brustflossen, die zu Beinen umgewandelt sind. Und die ein bisschen so aussehen wie die schaufelartigen Vorderpfoten von Maulwürfen. Von solchen Tieren habe ich noch nie gehört. Hatte ich nicht gerade noch Sehnsucht nach Neuem? Zwar in meiner Branche, aber unbekannte Tierwelten nehme ich auch. Als Metapher. Ein Fisch, der nicht schwimmen kann, ist wie eine Geschichte, die niemand liest und die in einer Schublade verkümmert. Hat man allerdings einen gut gefüllten Brunnen, könnte man es riskieren, sie trotzdem zum Laufen zu bringen. Dann eben auf ihren Brustflossen.

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BASICS – Geld ausgeben: Wofür es sich lohnt, ein paar € in die Hand zu nehmen https://freienbibel.de/geld-ausgeben/ https://freienbibel.de/geld-ausgeben/#respond Sun, 07 Jun 2020 22:13:38 +0000 http://freienbibel.de/?p=2131 Wir arbeiten, um Geld einzunehmen. Manchmal müssen wir aber erst Geld ausgeben, um arbeiten zu können, um Geld einzunehmen. Was nützt? Hier ein paar Ideen.

Von Jan Schwenkenbecher

Die Soforthilfe-Programme haben es uns ganz offiziell vor Augen geführt: Wir freie Journalist*innen geben kaum Geld aus. Was natürlich irgendwie nicht stimmen kann, wir geben so viel Geld aus wie jede*r andere auch. Also anders: Wir freie Journalist*innen haben kaum Betriebsausgaben. So. Das kann schon eher hinkommen. Es liegt ja auch nahe, wenn man wie wir sein eigenes Geschäft ist und der Gewinn gleich Einnahmen minus Ausgaben ist, dass man seine Ausgaben eher klein hält. Dennoch, und darum soll es im Folgenden gehen, können sich einige Ausgaben lohnen – sei es für die Finanzen oder fürs Gemüt.

Die Geschäfts-Essentials

Um ein paar Ausgaben kommt ihr also wirklich nicht herum. Laptop, Strom, Handy – ja, und das war’s eigentlich auch schon. Trotzdem gibt es ein paar Dinge, die einfach zum Geschäftsmodell freie*r Journalist*in dazugehören. Sie sind zwar optional, in den allermeisten Fällen aber dürfte es keinen Sinn machen, diesen Posten einzusparen. Gemeint sind allen voran der Posten Steuerberater*in und der Posten Versicherungen.

Ein*e Steuerberater*in erleichtert die Arbeit ungemein. Die Zeit, die man sonst dafür aufwenden würde, jede Quittung einzutippen oder zu recherchieren, ob es sich nun um „Vorsteuerbeträge aus Leistungen im Sinne des § 13b UstG“ oder um „Vorsteuerbeträge aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen (§ 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 UStG)“ handelt, die ist doch besser in einen weiteren Auftrag investiert. Dann gibt es auch keine Probleme mit dem Finanzamt. Jede*r macht, was er oder sie kann: die Steuerberaterin berät bei der Steuer, der freie Journalist schreibt. Handelt es sich bei der Steuerberaterin auch noch um eine gute Steuerberaterin, spart man allein durch ihre Expertise vielleicht sogar ohnehin mehr Geld, als man ihr anschließend als Honorar bezahlt.

Dann sind da noch die Versicherungen, die hat man halt. Die wenigsten brauchen sie wirklich. Aber man weiß einfach nicht, ob man nicht doch zu den wenigsten gehört. Üblicherweise werden empfohlen: Berufshaftpflichtversicherung und Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. Je nach Sicherheitsbedürfnis oder Tätigkeitsschwerpunkt darf hier um Rechtsschutz-, Arbeitslosen- und Reiseversicherung ergänzt werden.

Weiterhin zu empfehlen sind jegliche Gimmicks, die euch in der Außenwahrnehmung von “irgendwer mit Laptop” zu “professionelles Journalist*innenbüro” transformieren. Also her mit Visitenkarten, Website, eigenem Logo und Fotos von der Fotografin.

Altersvorsorge

Die meisten von uns dürften in der Künstlersozialkasse aufgenommen sein. Wir zahlen also dort in die gesetzliche Rentenversicherung ein und bekommen unseren jetzigen finanziellen Aufwand einst in monatlichen Raten wieder zurück. Rente eben. Wer nicht so ganz daran glaubt, dass die Rente in 10, 20, 30, 40 oder gar 50 Jahren (wer weiß schon, wie jung ihr seid oder wie sich das Renteneintrittsalter bei steigender Lebenserwartung entwickeln wird) noch sicher ist oder wer anzweifelt, dass sie zum Leben reicht, der sorge zusätzlich anderweitig vor.

Hier muss nun jede*r selbst wissen, was zu ihr passt, an Angeboten mangelt es nicht:

Fort- und Weiterbildungen

Der ein oder anderen Freien ist gerade der ein oder andere Auftrag weggebrochen. Das ist doof, bietet vielleicht aber die Chance, endlich mal den einen Workshop oder die eine Fortbildung zu machen, die schon seit Monaten in eurer Lesezeichen-Liste im Browser herumlümmelt. Es gibt ja allerlei: vom wenige Minuten dauernden Online-Tutorial über den Tages-Workshop bis hin zum zwei- oder dreitägigen. Und auch für den knappen Geldbeutel gibt es das passende Angebot. Als Beispiel sei die Reporterfabrik genannt: Viele Workshops sind kostenlos, bei den anderen kostet es fünf, 15 oder 25 Euro, daran teilzunehmen.

Zeitungs- und Zeitschriften-Abos

Wer Artikel an Zeitungen, Zeitschriften oder Blogs verkaufen möchte, muss wissen, was in diesen Zeitungen, Zeitschriften oder Blogs schon so steht. Bekommt ihr nicht ohnehin die Ausgaben zugeschickt, empfiehlt sich ein Abo für eure regelmäßigen Auftraggeber*innen. Mal angenommen, ein*e freie*r Journalist*in hätte Psychologie studiert und würde über Psychologie und Neurowissenschaften schreiben, empfähle sich ein Abo von “Gehirn & Geist”. So würde diese*r Journalist*in keine Themen vorschlagen, die schon im Magazin stehen. Außerdem sind wir ja Expert*innen in unseren Bereichen und müssen informiert sein. Jene*r Beispiel-Journalist*in wäre also durch das Abo in psychologischen und neurowissenschaftlichen Themen auch immer up to date.

Und sind die Abo-Kosten nun Betriebsausgabe? Das ist pauschal nicht so leicht zu beantworten. Als Faustregel gilt: Zeitungen nein, Zeitschriften ja. Sofern die Lektüre der Arbeit und nicht dem Privatvergnügen dient – aber wer kann das bei uns schon unterscheiden?

Festnetz-Telefon

Ihr braucht ein Festnetz-Telefon! Okay, vielleicht nicht unbedingt. Aber ich brauchte ein Festnetz-Telefon, als ich mich selbstständig gemacht habe! Zu einem erfolgreichen Geschäft gehört doch ein Büro (Arbeitszimmer habe ich), und da muss doch ein Festnetz-Telefon stehen. Vielleicht eine etwas antiquierte Vorstellung, mag sein. War mir egal, ich wollte mein Festnetz-Telefon haben.

Jetzt habe ich also eines. Richtige Entscheidung? Absolut! Ich fühle mich professioneller, wenn ich, um Interviews zu führen, einen Hörer abnehmen kann. Und wenn ich dann zum Wählen Nummerntasten drücke. Und wenn ich während des Gesprächs unbewusst versuche, die Schnur zu entkringeln. Und wenn es einfach nur dasteht.

Vielleicht muss es für euch kein Festnetz-Telefon sein. Aber habt ihr nicht auch irgendwas, das ihr habt oder haben wollt, einfach um euch damit professioneller zu fühlen? Aktenordner, Whiteboard, Co-Working Space oder den perfekten Bürostuhl? Den Unentschlossenen sei gesagt: Es lohnt sich.

Tools, Tools, Tools

So gut wie alle Lebensbereiche werden ja gerade durch die Digitalisierung verbessert. Naja, oder zumindest verändert. Auch der Journalismus. Es gibt zahlreiche Tools, die uns digital unter die Arme greifen können, wenn wir sie nur lassen. Zur Organisation, Koordination, Motivation (siehe hier), Transkription (siehe hier). Manche kosten nichts, manche kosten Daten, manche Kosten Geld. Welches Tool hilft und welches nicht, das muss wohl jede*r selbst ausprobieren. Aber vielleicht hilft ja dieser Ansatz: Taucht im Arbeitsalltag das nächste Problem auf, könnt ihr euch ja mal fragen, ob es nicht ein Tool gibt, das euch weiterhelfen kann.

Urlaub

Nur eine erholte Arbeiterin ist eine produktive Arbeiterin. Ein Satz, der, würde ihn eine Top-Managerin aussprechen und damit Stellung zur Urlaubs-Policy ihres Unternehmens beziehen, so kalt und kapitalistisch klänge wie kaum ein zweiter. Stimmen mag er trotzdem (auch wenn die positiven Effekte von Urlaub gegen den Stress der Arbeit meist nur zwei, drei Wochen anhalten – aber man freut sich ja auch vorher schon ein paar Wochen lang auf die Auszeit). Doch wir Freie sind Manager*in und Angestellte*r zugleich, und also dürfen wir den Satz sagen. Ja, Urlaub kostet Geld. Aber mal davon abgesehen, dass Urlaub schön ist, kann man ihn eben auch buchhalterisch rechtfertigen: Wenn wir uns pausenlos kaputtrackern, verdienen wir irgendwann gar nichts mehr.

Die Freienbibel

Das am allerbesten ausgegebene Geld – für euer Geschäft, für euch persönlich, für uns, für alle, für Weltfrieden und Weltklima – ist jenes Geld, das ihr für die Freienbibel 2 ausgebt. Auf Steady oder später live und in Farbe gedruckt.

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Frei im Kopf: Inspirations-Camp, Woche 8 https://freienbibel.de/inspirations-camp-folge-8/ https://freienbibel.de/inspirations-camp-folge-8/#respond Fri, 05 Jun 2020 07:17:50 +0000 http://freienbibel.de/?p=2178 Die Autorin im Selbstversuch mit dem Klassiker „Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron. Ein Zehn-Wochen-Programm mit Katharina Jakob

Blockierungen durchbrechen

Woche 8. Es ist ein Auf und Ab mit diesem Zehn-Wochen-Kreativitätsexperiment. Übungen, die riesigen Spaß machen, wechseln sich ab mit solchen, die ich keinesfalls ausprobieren will. Und dann stelle ich fest, dass ich im Buch doch immer wieder dorthin zurückblättere. Lese dann Sätze über den „inneren Zensor“. Oder von „Perfektionismus“ und „Blockierungen durchbrechen“. Julia Cameron zielt in vielen Varianten immer wieder auf einen einzigen schmerzhaften Punkt: dass wir selbst es sind, die uns am stärksten daran hindern, kreativ zu sein.

Gab es in Woche 6 eine Schutzkarte gegen destruktive Kritik von außen, geht es jetzt um eine Methode, den Feind im Inneren lahmzulegen. Diese Stimme in uns, die jeden kreativen Impuls schlechtredet und Sachen sagt wie: „Das taugt doch nichts“, „damit blamierst du dich nur“ oder „was für ein alberner Gedanke“. Sie rupft aufkeimende Ideen aus, als wären sie Unkraut. Dabei schreibt Cameron: „Es ist wichtig zu wissen, dass der Zensor seine härtesten Angriffe gegen unsere originellsten Ideen einsetzt.“ Mit Galgenhumor ließe sich daraus ein Indikator schaffen: Je lauter der innere Schreihals, desto besser die Idee.

Den Schreihals abwürgen

Aber vermutlich bringt es mehr, ihn stillzulegen. Ich entscheide mich für die Übung „Blockierungen durchbrechen“. Sie geht so: „Denken Sie an ein Projekt, das Sie beginnen möchten“ (meine Buchidee, die ich seit einigen Wochen mit mir herumtrage). „Zählen Sie alle Ressentiments (Wut) auf, die Sie in Zusammenhang mit diesem Projekt haben.“ Ich sitze auf dem Sofa mit meinem Notizbuch und weiß sofort, was mich an meiner Buchidee wütend macht – und was mich daran hindert, sie umzusetzen. Diese irrsinnige Arbeit, die damit verbunden ist. Dabei ist Arbeit ja genau das, was ich reduzieren will, um wieder mehr Spaß zu haben und um kreativer zu sein. Das passt nicht zusammen.

„Nennen Sie alle Ängste in Bezug auf das Projekt“, geht es in der Übung weiter. „Dass ich es nicht hinkriege“, schreibe ich in mein Notizbuch, „dass ich wieder so erschöpft sein werde wie beim letzten Mal.“ Als ich vier Monate durchschreiben musste, um den Abgabetermin noch zu schaffen. Aber es gibt noch eine andere Angst, und die gräbt mich ebenfalls um: „Dass mir jemand mit dem Thema zuvorkommt, wenn ich nicht bald anfange.“ Es wird jetzt geradezu verlockend, die Idee einfach fallen zu lassen, ich könnte mir viel Stress ersparen. Aber Cameron hat vorgesorgt. „Fragen Sie sich, was Sie davon haben, wenn Sie diese Arbeit nicht machen.“

Auf der Jagd

Ruhe. Steht jetzt in meinem Notizbuch. So allein für sich sieht das Wort aus wie eine Grabinschrift. Fühlt sich nicht gut an. „Auf eine super Geschichte verzichten müssen“, schreibe ich als Nächstes. Ich glaube, das ist für Journalist*innen etwas nahezu Unmögliches. Freiwillig und ohne Not eine Geschichte sausen lassen, die man für groß hält? Wir sind Jäger*innen. Entdecken wir eine Fährte, eine noch ganz frische Spur, weil das Tier erst vor Minuten durchgezogen ist – und dann gehen wir ihr nicht nach? Wackeln nach Hause, legen uns aufs Ohr? Never ever.

Ich muss sagen, Camerons Übung hat für Klarheit gesorgt. Jetzt weiß ich, dass ich die Jagd dem Nickerchen vorziehe. Und ich habe auch eine leise Idee, wie ich das mit der Arbeit lösen könnte, damit sie nicht zur Strapaze wird. “Dumme Idee”, “klappt sowieso nicht”, mault was in mir. Den Kerl kenne ich ja jetzt. Ruhe in Frieden.

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